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Balthasar Hubmaier

Verfasst von Wolfgang Burk, Pastor i.R.

Die Einführung der Reformation in Waldshut ist unlösbar mit Balthasar Hubmaier, dem einst katholischen Pfarrer an der Oberen Kirche verbunden. Etwa im gleichen Alter wie Luther und Zwingli hatte er bereits eine beachtliche Karriere hinter sich, als er, 35 Jahre alt, nach Waldshut kam. Geboren wurde er um 1485 in Friedberg bei Augsburg. In Freiburg studierte er Theologie. Sein hervorragendster Lehrer war Dr. Johannes Eck. Nach seiner Priesterweihe in Konstanz wirkte Hubmaier in Freiburg als Priester und Prediger. 1511 folgte er Dr. Eck nach Ingolstadt, promovierte bei Eck zum Doktor der Theologie, wurde Professor und Prorektor der Universität zu Ingolstadt. Gleichzeitig Pfarrer an der größten Kirche Zu Unserer Lieben Frau in Ingolstadt.

Bereits 1516 übernahm er das Amt des Dompredigers in Regensburg. Hier vertrat er eine scharfe antisemitische Haltung, beteiligte sich an einer Judenverfolgung und an der Zerstörung der Synagoge. Aus unserer Sicht ist dies nur schwer verständlich und nicht akzeptabel. Man ist leicht versucht, diesen Punkt unter den Teppich zu kehren – die Redlichkeit gebietet es indes, auch diese Tatsache nicht zu verschweigen. Ob er später seine antijüdische Meinung änderte, ist nicht bekannt.

An Stelle der zerstörten Synagoge wurde eine Wallfahrtskapelle Zur schönen Maria gebaut. Hubmaier hat als leidenschaftlicher und mitreißender Prediger die Wallfahrt gefördert und dem Stadtrat von Regensburg ein Verzeichnis der Wunder vorgelegt, die sich am neuen Wallfahrtsort ereignet haben. Ende 1520 verließ Hubmaier Regensburg. Über den Grund seines Weggehens gibt es verschiedene Deutungen. War es sein Kontakt zur lutherischen Lehre? Oder versuchte er, vor der Ende 1520 in Regensburg wütenden Pest zu fliehen? Letzteres gibt er selbst in einem Brief für den Grund seines Weggangs an. 1521 kam Hubmaier nach Waldshut und wurde Pfarrer an der oberen Pfarrei. Er suchte den Kontakt mit Ökolampad (Schweizer Reformator in Basel) und Erasmus in Basel, dem Stadtarzt Rüchard in Ulm und dem Arzt Adolphi in Schaffhausen, sowie seinem Freund Fabri in Konstanz, die alle Humanisten waren. Seit Sommer 1522 las er Luther und ließ sich von ihm zur intensiven Beschäftigung mit Paulus führen. Ende 1522 wurde er wieder nach Regensburg in das Amt eines Wallfahrtspredigers berufen. Hier vertiefte er seine reformatorische Wandlung durch den Kontakt mit evangelisch Gesinnten. Bereits im März 1523 kehrte er aber wieder nach Waldshut zurück.

Bis zum Zeitpunkt seiner Rückkehr nach Waldshut merkte man nichts von seiner Wandlung. Der Wunsch, freier wirken zu können, mag ihn nach Waldshut zurückgeführt haben. Er schloss Freundschaft mit Zwingli, dem Zürcher Reformator, auch mit Grebel, Röubli, Mantz und Blaurock, den späteren Täuferführern, mit denen ihn bald das Streben nach einer reinen Gemeinde, ohne staatliche Bevormundung, verband. So kam Waldshut immer mehr unter den Einfluss der schweizerischen Reformation.

Im Oktober 1523 beteiligte er sich als einziger Nichtschweizer an der Glaubensdisputation im Rathaussaal in Zürich, und stellte sich mit seinen Disputationsbeiträgen sichtbar auf Zwinglis Seite. Damit begann eine neue ereignisreiche Zeit in Waldshut. Es war unvermeidlich, dass diese Entwicklung nicht auch politische Konsequenzen für die Stadt hervorrief. Denn Waldshut lag in den katholischen habsburgischen Erblanden und war Innsbruck unterstellt. Darum war der Bruch mit der katholischen Lehre mit ganz anderen Gefahren verbunden, als für die Eidgenossen, die eine freie und selbständige Stellung gegenüber dem Deutschen Reiche hatten.

Wie gefährlich das für Waldshut war, wird uns erst voll bewusst, wenn wir uns die damalige Situation bewusst machen. Im Gefolge der Reformation suchten die verschiedenen Bekenntnisbewegungen das rechte Zeugnis zu formulieren von der Wahrheit und Geltungskraft der Offenbarung Gottes in Jesus Christus.

Diese Bekenntnisformulierungen fanden auf lutherischer Seite 1530 in der Confessio Augustana ihr erstes bleibendes Dokument. Balthasar Hubmaier war da bereits als Märtyrer gestorben. Charakteristisch für die damalige Zeit war jedoch nicht die Vertiefung des theologischen Bekenntnisses, sondern das Anwachsen zur Religionspartei als einer geistlich-weltlichen Macht, mit dem Ergebnis, dass die Konfessionen als mächtige Blöcke in einer gewaltigen Konfrontation quer durch Europa aufeinander prallten. Allenthalben in Europa drängte das politische Leben über die überlieferten Formen. Das Politische gewann eine zuvor unbekannte Bedeutung und wurde zum Problem für die bestehende Hegemonie (Vorherrschaft, Vormachtstellung) der einzelnen Territorien im Deutschen Reiche.

Durch die Konfessionskonflikte sahen sich die einzelnen Dynastien bedroht. Politik und Religion hingen aufs Engste zusammen. Da die nichtkatholischen Konfessionen (Lutheraner, Reformierte, Spiritualisten und Täufer) vom deutschen Kaiser nicht erlaubt waren, sondern unter die Reichsacht fielen, waren sie zu ihrer Sicherheit existenziell auf den Kofessionsstaat angewiesen, was zu geschlossenen Konfessionsstaaten führte: Protestantische und römisch-katholische Staaten. Die Spiritualisten und die Täufer waren durch ihr Gemeindeverständnis des individuellen Bekenntnisses der Gemeindeglieder nicht in der Lage zu geschlossenen Konfessionsstaaten. So fielen sie besonders unter das Wormser Edikt.

Das Wormser Edikt Karls V. hatte 1521 dem päpstlichen Bann gegen Martin Luther die Reichsacht folgen lassen und die evangelische Bewegung verboten. Auf dem Reichstag von Augsburg 1530 bestand der Kaiser immer noch auf der Rückführung der Protestanten in die römisch-katholische Kirche. Dass es nicht zur gewaltsamen Rückführung kam, lag, wie schon beim Reichstag zu Speyer 1526, an den kriegerischen Auseinandersetzungen des Kaisers mit Frankreich, mit dem Papst in Oberitalien, sowie der Türkengefahr vor Wien, wodurch er einerseits kräftemäßig gebunden war, andererseits aber auch das Geld der protestantischen Territorien brauchte. Dadurch kam es zu einer vorläufigen Duldung.

Erst der Religionsfriede von 1555 schuf eine rechtlich garantierte Koexistenz zwischen der Römisch-katholischen und der protestantischen Kirche. Ausgeschlossen blieben nach § 17 alle anderen Bekenntnisse. Erst mit diesem Religionsfrieden gab es das religiöse Freizügigkeitsrecht, das jedem Deutschen die freie Religionswahl zwischen römisch-katholisch und protestantisch garantierte. Keine Geltung erlangte dieses Freizügigkeitsrecht in Karls V. eigenen Landen, also auch nicht in Österreich unter König Ferdinand, dem Bruder Karls V.

Dieser kleine Exkurs in die deutsche Geschichte beweist den ungeheuren Mut der Waldshuter Bürger, aber auch die Aussichtslosigkeit ihres Bemühens um Religionsfreiheit, wie Balthasar Hubmaier forderte. Waldshut hatte mit dem Bekenntniswechsel den Kaiser herausgefordert, ohne einen Territorialstaat oder einen dem neuen Bekenntnis wohlgesonnenen Fürsten oder König im Rücken zu haben. Im Gegenteil, König Ferdinand war des Kaisers Bruder und selber abhängig vom Kaiser.

Bereits wenige Wochen nach der Oktoberdisputation (Okt. 1523) in Zürich, am 15. Dezember 1523 verlangte Österreich von der Stadt Waldshut die Auslieferung Hubmaiers an den Bischof von Konstanz. Bürgermeister und Rat lehnten diese Forderung ab mit dem Hinweis, dass eine solche Forderung gegen die Privilegien und Freiheiten der Stadt verstoße. Wenn ihr Pfarrer etwas verbrochen habe, dann müsse er vor ihr Gericht gestellt und entsprechend verurteilt werden. Österreich bestand weiter auf der Forderung, Hubmaier auszuliefern, was eine antiösterreichische Stimmung in der Stadt immer mehr anheizte. Österreich stellte der Stadt ein Ultimatum, das Pfingsten 1524 endgültig ablief. Kurz vor Pfingsten führte Hubmaier nach dem Beispiel Zürichs ein Religionsgespräch durch, bei dem er gegen die Bilder, Wallfahrten, Zölibat, Palm-, Kerzen- und Wasserweihe wetterte.

Am Pfingstsonntag 1524 wurden die Bürger der Stadt zusammengerufen. Im Verlauf der Versammlung wurde vorgeschlagen, Hubmaier auszuliefern. Aber da man sich nicht einigen konnte, wurden die Verhandlungen am Pfingstmontag fortgesetzt. Die Frauen zogen in diesem Streit, teilweise bewaffnet, zum Rathaus, und verlangten das Versprechen, dass Hubmaier in der Stadt bleiben dürfe. Mit Feuereifer wurde der neuen Lehre zugestimmt. Hubmaier wurde von neuem zum Pfarrer gewählt; man versprach, ihn zu schützen und seine Widersacher aus der Stadt zu weisen. Damit war Waldshut protestantisch geworden.

Wie bereits dargelegt, war das politisch äußerst gefährlich. Waldshut hatte sich als erste Stadt der habsburgischen Lande der neuen Lehre zugewandt und trotzte dem ausdrücklichen Befehl Kaiser Ferdinands. In dieser gefährlichen Lage suchte Waldshut nach Bundesgenossen und fand sie in den aufständischen Bauern von Stühlingen. Obwohl geistesgeschichtlich völlig verschiedenen Ursprungs vereinten beide Bewegungen ihre Kräfte zum gemeinsamen Kampf. So verknüpfte sich die Waldshuter Reformation mit dem Bauernaufstand, was nur eine Verschärfung der Lage heraufbeschwor.

Als die Stadt in der größten Not war, verließ Hubmaier am 1. September 1524 Waldshut und ging in das Kloster Allerheiligen in Schaffhausen, das Asylrecht hatte. Nach zeitgenössischen Berichten verließ Hubmaier die Stadt, damit niemand seinetwillen zu Schaden komme. Der Rat der Stadt habe dazu sein Einverständnis gegeben, in der Hoffnung, dass dadurch die Stadt zu Ruhe und Frieden komme. Allerdings war das ein Trugschluss, denn anstatt ihn auszuliefern, wie der König forderte, ließen sie ihn laufen. Außerdem weigerte sich die Stadt, zum katholischen Glauben zurückzukehren.

Nachdem am 10. September die Stühlinger Bauern einen Vertrag mit dem Grafen von Lupfen geschlossen hatten, stand Waldshut ohne Verbündete da. Trotzdem erfuhr die politische Lage plötzlich für Waldshut durch verschiedene Umstände, unter anderem durch Österreichs militärische Schwäche und fehlender Hilfsmittel, eine Entspannung. Andererseits war Hubmaiers Aufenthalt in Schaffhausen durch den Druck Österreichs fraglich geworden, so kehrte er bereits am 27. Oktober 1524 wieder nach Waldshut zurück. Mit großer Begeisterung wurde er in der Stadt empfangen. In der Folge dieser Begeisterung kam es in den nächsten Tagen zum Bildersturm in Waldshut. Wertvolles Kunstgut wurde vernichtet, was wohl nicht im Sinne Hubmaiers war, denn ein Jahr zuvor hatte er in seinem Reformprogramm festgelegt, dass man die Bilder usw. schlafen lege.

Nun kam ein Neues hinzu: in den Jahren 1522/23 entstanden in der Schweiz infolge der Reformation Hausversammlungen mit Bibelstudium. Hier bildeten sich Laienführer heran, die die Bibel auslegen konnten und sich eine gewisse Redegewandtheit erwarben. Sie verbreiteten unter dem einfachen Volk Bibelkenntnis und den Wunsch nach der Gemeinde der Gläubigen ohne Bevormundung durch den Staat, nach dem Vorbild der Gemeinden im Neuen Testament. Nach anfänglicher Einigkeit mit den Reformatoren gegen die Romanisten gab es dann doch sehr schnell Spannungen, weil sie die vollständige Wiederherstellung des apostolische Christentums verlangten: Gemeinde der Gläubigen, Taufe auf das Bekenntnis des Glaubens. Sie forderten, dass man auf das langsame Vorgehen des Zürcher Stadtrates keine Rücksicht mehr nehmen sollte und wurden zum linken Flügel der Reformation. So war die erste Täufergemeinde ein ureigenes Gewächs der Zürcher Reformation. Sie wurde zum Ausgangspunkt der gesamten Täuferbewegung. Die Gläubigentaufe rückte dabei nur deshalb in den Vordergrund, weil hier am sichtbarsten zum Ausdruck kam, ob man eine auf Nachfolgebereitschaft und freiwilliger Mitgliedschaft beruhende Gemeinde anstrebte, oder ob man bei der durch obrigkeitliche Gewalt erzwungenen Einheit von Kirche und Territorium bleiben wollte. Von diesen Gemeinden war Hubmaier stark beeinflusst, und er beschäftigte sich intensiv mit ihren Führern.

Im November 1524 kam Thomas Münzer aus Thüringen für acht Wochen nach Grießen in den Klettgau. Er zog durch die Dörfer und wiegelte die Bauern mit seinen eschatologischen Predigten auf, was für die bereits im Klettgau schwelenden Bauernunruhen Öl ins Feuer war. Münzer predigte auch in Waldshut in der Oberen Kirche und führte mit Hubmaier Gespräche, der sich aber nicht von Münzers revolutionärer Apokalyptik anstecken ließ. Im Januar 1525 zogen nun die Klettgauer Bauern in Waldshut ein, das ihnen Unterstützung zusagte, und deren Forderungen von Hubmaier unterstützt wurden. Dadurch wurde die Waldshuter Reformation erneut mit der sozialrevolutionären Bewegung verflochten. Diese Verbindung des Religiösen mit dem Politischen kennzeichnet Waldshuts kurze Reformationsgeschichte. Bereits in Regensburg opponierte Hubmaier gegen den Kaiser, auch in Waldshut war er der Kern des Widerstands gegen den Kaiser.

Schon vor Münzers Ankunft im Klettgau, hatte Hubmaier, wie bereits erwähnt, Kontakt zu den Täufern aus Zürich. Sie gingen hervor aus Hauskreisen, die Gemeinden der wirklich Gläubigen und Geheiligten verwirklichen wollten, und seit 1524 die Glaubenstaufe verfochten. Zwinglis Einschreiten gegen die Taufgesinnten bewirkte eine außerordentlich rasche Verbreitung des Täufertums. Die bedeutendsten Täuferführer in der Schweiz waren Felix Mantz, Wilhelm Röublin, Konrad Grebel und Georg Blaurock. Die Täuferführer Grebel und Röublin besuchten Hubmaier und wollten ihn für die Glaubenstaufe gewinnen. So entstand in Waldshut ein Zentrum. In Hubmaiers Haus versammelten sich die Abgesandten, die 1524 eine Erklärung über Glauben und Kirchenordnung beschlossen. Hubmaier scheint von den Täufern in seiner Auffassung von der Taufe und von Karlstadt in der Lehre vom Abendmahl beeinflusst worden zu sein. Der Gefahr seiner Auslieferung an König Ferdinand begegnete er mit der Schrift Von Ketzern und ihren Verbrennern.

Nach einen erfolglosen Gespräch in Zürich kam es zum Bruch mit Zwingli durch Hubmaiers Taufe. Ostern 1525 war Wilhelm Röublin in Waldshut, um zu predigen und zu taufen. Bereits im Januar hatte Röublin einige in Waldshut getauft. Nun ließen sich Hubmaier und sechzig Mitglieder der Gemeinde taufen. Als Hubmaier die Glaubenstaufe als sichtbares Zeichen der wiederhergestellten christlichen Gemeinde annahm, trat er als Priester zurück und wurde sofort von der Gemeinde als Prediger wiedergewählt. Das ist ein höchst bedeutsamer Punkt in der Täufergeschichte, denn er bezeichnet den Grundsatz von der Autonomie der Ortsgemeinde, der auch heute noch in den taufgesinnten Gemeinde Geltung hat. Vom frühen Zwingli hatte Hubmaier die Auffassung übernommen, die Kirche bestehe sowohl als allgemeine Kirche wie auch als Ortsgemeinde. Beide seien sichtbar auf ein klares Glaubensbekenntnis gegründet.

Bereits in den Ostertagen folgten in Waldshut weitere 300 Erwachsene dem Beispiel Hubmaiers und ließen sich auf das Bekenntnis ihres Glaubens von Hubmaier taufen. Hubmaier taufte durch Begießen mittels eines Melkeimers, das Wasser wurde aus dem oberen Stadtbrunnen geholt. Nach der Taufe ließ Hubmaier die Taufsteine der beiden Kirchen in den Rhein werfen, um damit zu symbolisieren, dass es von nun an keine Kindertaufe mehr in Waldshut gebe. Von da an gab es in Waldshut Katholiken, Evangelische und Täufer. In der Schweiz waren kleine Gemeinde, meist Hauskreise entstanden. In Waldshut wurde eine ganze Kirchengemeinde fast als Ganzes für das Täufertum gewonnen. Das verschärfte den Bruch mit König Ferdinand und dem Kaiser.

Waldshut war zu einem Zentrum der Täufer geworden. Überall führten die Täufer von den Zentren ihrer Gemeinden eine umfangreiche missionarische Arbeit aus. So war Waldshut unter Hubmaier ein bedeutender Mittelpunkt der Täufer und Ausgangspunkt konzentrierter Missionsunternehmungen. Für etwa acht Monate stand Waldshut im Zeichen des Täufertums. Die Sammlung freiwilliger religiöser Gemeinschaften (Freiwilligkeitskirche) durch die Verkündigung eines frei und umfassend verstandenen Evangeliums, besiegelt durch die Taufe der Gläubigen, war eine Herausforderung für das römische Reich und eine Bedrohung des Protestantismus. Von daher war die kirchliche Isolierung Waldshuts, abgesehen von den kleinen, politisch unbedeutenden Täufergruppen in der Schweiz, vollkommen. Ohne Freunde standen sie da. Hinzu kamen noch Streit in der Waldshuter Täufergemeinde wegen der Einstellung der Christen zum Gebrauch des Schwertes. Im Unterschied zu den Schweizer Täufern und den Hutterern, die jede Gewaltanwendung ablehnten, hatte Hubmaier keine Bedenken, zum Schwert zu greifen, um das Christentum zu verteidigen.

Hubmaiers Laufbahn in Waldshut und das Leben der Täufergemeinde in Waldshut wurden durch die Ankunft österreichischer Truppen jäh beendet.. Hubmaier entkam am 5. Dezember 1525 in einem Weidling über den Rhein. Seine Frau, eine Elsbeth Hügline aus Graubünden, die er im Januar ohne weitere kirchliche Formalitäten geheiratet hatte, blieb zunächst in Waldshut. Hubmaier suchte Unterschlupf bei den Täufern in Zürich, wurde aber sehr schnell entdeckt und verhaftet. Er verbrachte kurze Zeit im Gefängnis in Zürich und zog Anfang 1526 nach Nikolsburg in Mähren.

Die Schweizer Täufer und auch die Hutterer Brüder in Mähren, sie gehen zurück auf Jakob Huter aus Tirol, der mit Täufern aus Tirol Zuflucht im Mähren fand (die Tiroler Täufergemeinden waren von den Zürcher Täuferführern gegründet worden), zu denen später Hubmaier flüchtete, haben von Anfang an die Revolutionäre verurteilt und sich von Gewaltanwendung losgesagt. Hubmaier dagegen war anderer Ansicht. Der Chronist Küssenberg berichtet, Hubmaier habe am Unteren Tor mit einem Schlachtschwert Wache gestanden.

In Nikolsburg führte er die Täuferreformation durch, wie in Waldshut mit der dortigen Obrigkeit, weil er sie im Gegensatz zu dem Täuferführer Hans Hut, im Gebrauch des Schwertes gegen die Türken unterstützte. Ende 1526 wurde jedoch Erzherzog Ferdinand auch König von Böhmen und durch Erbschaft Markgraf von Mähren. Genau ein Jahr nach seiner Ankunft in Mähren wurde Hubmaier verhaftet und nach Wien gebracht, wo er am 10. März 1528 auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Zuvor schrieb er noch seine Rechenschaft meines Glaubens, lehnte aber einen Widerruf ab. Seine Frau wurde in der Donau ertränkt.

Durch seine vielen Schriften wirkte Hubmaier weit über seinen Märtyrertod hinaus. Er war der bedeutendste Schreiber der Täufer. Theologisch nahm er unter den Täufern eine Sonderstellung ein, weil er sowohl der Obrigkeit als auch dem einzelnen Christen das Führen des Schwertes zugestand. Diese Sonderstellung wirkte sich in der Praxis seiner Reformationsarbeit aus. Durch mehrere Streitgespräche mit Hans Hut in Nikolsburg spaltete er die mährischen Täufer in Schwertler und Stäbler.

Hubmaiers erste Schrift ist der erste Täuferdruck überhaupt. Sie ist den drei Gemeinden Regensburg, Ingolstadt und Friedberg gewidmet. Er nimmt darin Abschied von seiner Vergangenheit und fordert seine früheren Gefährten auf, ihm auf dem neuen Weg zu folgen. Die Schrift handelt von der Buße in vier Stufen:

  1. Sündenerkenntnis
  2. Reue und Heilserfahrung
  3. Öffentliche Verpflichtung in der Taufe mit Bereitschaft zur Kirchenzucht
  4. Evangelisation, Kreuz und gute Werke als Früchte der in der Kraft Gottes gewirkten Buße

Das Abendmahl dient uns schwachen Menschen der immer wieder notwendigen Erinnerung an Christi Heilstat. In Mähren verfasste er noch 18 Schriften. In zwei Werken schreibt Hubmaier ausführlich über die Gemeindezucht, konnte sie jedoch in seiner Gemeinde in Nikolsburg nur unvollständig durchsetzen. Er wehrte sich auch gegen den strengen Kommunismus der Hutterischen Brüder. An die Obrigkeit schrieb Hubmaier, er kenne keine andere Reihenfolge als 1. Predigen, 2. Glauben, 3. Taufe. Er berief sich dabei auf Matthäus 28,19. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes.

Hubmaier war die hervorragendste Persönlichkeit unter den Täufern, der seine Zuhörer zu begeistern wusste, so dass sie ihm auch in politisch gefährliche Situationen folgten. Seiner Veranlagung nach war er eine Führernatur, ein volkstümlicher Prediger, der sowohl in Regensburg als auch in Waldshut an der Spitze religiöser Volksbewegungen stand.